Merkwürdige Begebenheit
Es ist schon ein paar Jahre her, aber es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen.
An einem grauen September Abend trafen wir uns mit Bekannten in einer Kneipe.
Die beiden waren noch nicht eingetroffen. Somit sahen wir uns nach einem geeigneten Platz um. Bis auf einen Tisch, der Platz für mindestens 8 Personen hatte, waren alle belegt. Folglich setzten wir uns an diesen. Kurz darauf trafen unsere Freunde ein.
Zu später Stunde kam ein Pärchen. Sie fragten, ob sie sich zu uns setzen könnten?
„Na klar“, antworteten wir und rückten näher aneinander.
Dabei nahm ich meine Jacke die bis dahin links neben mir lag hoch und legte sie rechts von mir auf der Bank ab.
Ich lauschte den Erzählungen meiner Freunde, als jemand sagte: „Wo ist dein Führerschein, hast du ihn noch?“
Was war das? Wer hatte da geredet? Eine Stimme in meinem Kopf? Spinn ich jetzt, oder was?
Meine Gedanken rasten. Meine Aufmerksamkeit dem Dialog am Tisch weiter zu folgen, ließ enorm nach.
Ein paar Minuten später. Klar und deutlich: „Dein Führerschein. Wo ist er denn?“
Das gab es doch nicht. Wer sprach hier mit mir? Hatte ich eine Halluzination? Was war das für eine Stimme in meinem Innern? Alles nur Einbildung?
Trotz vermeintlichem Hirngespinst, durchwühlte ich meine Jacke. Sie hatte rechts und links je eine Seitentasche ohne Reißverschluss. Im Innern befanden sich Taschentücher, der Autoschlüssel, aber kein Führerschein.
Wolfgang fragte: „Was suchst du denn?“
„Ach nichts, passt schon.“
Somit legte ich sie wieder rechts neben mich und versuchte meine Gedanken zu sortieren.
War der Führerschein vielleicht doch noch zu Hause in meinem Geldbeutel? Komisch. Also jetzt Schluss mit den dummen Gedanken.
Als mein Gehör sich wieder mehr den Gesprächen widmete, ging es erneut los.
„Schau doch mal unter der Bank nach“, meldete sich die Stimme in meinem Kopf.
Beiläufig sah ich unter den Tisch. Nichts. Kein Führerschein zu sehen.
„Was ist denn mit dir los? Du bist heute irgendwie abwesend“, meinte Wolfgang. „Nichts, nichts, alles in Ordnung. Dachte nur, da liegt was auf dem Boden.“
Ich traute mich nicht, darüber zu sprechen. Die meinten am Ende noch, ich sei verrückt und steckten mich in eine Anstalt.
Als wir uns später von den beiden verabschiedeten, fragte ich Wolfgang: “Weißt du, ob mein Führerschein zu Hause rum lag?“
„Nee, keine Ahnung. Warum? Vermisst du ihn?“
„Nööö. Dachte, hätte ihn dabei gehabt. In meiner Jackentasche ist er nicht.“
Wir sahen beim Auto an den Seiteneinstiegen und auf dem Boden nach. Nix.
Zu Hause angekommen wurde meine Handtasche durchwühlt. Im Geldbeutel, auch nichts. So ein Mist.
Wir redeten dann doch noch über meinen Spuk.
Er sagte natürlich: „Alles klar, hörste jetzt schon Gespenster? Dann musst du halt einen neuen Führerschein beantrage.“
„Immer mit der Ruhe. Ich rufe morgen erstmal die beiden an. Vielleicht können sie in der Wirtschaft nachfragen.“
Am nächsten Tag erreichte ich Josef.
„Kannst du bitte heute Abend in die Kneipe gehen und nachsehen, ob mein Führerschein gefunden wurde. Er ist nicht mehr auffindbar. Und gestern, bevor wir uns trafen, hatte ich ihn noch.“
Zwei Stunden später rief er mich an und sagte: „Der Führerschein lag unter der Sitzbank ganz hinten im Eck. Der Wirt hat ihn mir überreicht. Die Putzfrau hätte ihn gefunden.“
Gibt es sie doch? Die Helfer, Engel oder wie man sie nennen will?
Es gibt was zwischen Himmel und Erde, davon bin ich überzeugt. Das Nächste mal werde ich meine innere Stimme nicht ignorieren.
Und mein Wolfgang… war sprachlos.
20.11.2017 Helga Sättler